Automatisierte Operationsplanung
Da Ziel des Projekts ist die automatische Generierung von präoperativen 3D Planungen klinischer Qualität für Osteotomien des Unterarms, um dadurch den manuellen Aufwand und die anfallenden klinische Kosten zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität der Patientenbehandlung zu verbessern.
Das Projekt wurde von der Promedica Foundation UBS, der Balgrist Stiftung und der Hochspezialisierten Medizin Zürich (HSM-2) finanziell unterstützt.
Die dreidimensionale, computergestützte Korrekturosteotomie hat sich als Goldstandard für die operative Behandlung komplexer Knochendeformitäten etabliert. Durch technische Fortschritte werden die Operationen mittlerweile zwar dreidimensional geplant. Dies geschieht aber nachwievor manuell und verursacht dadurch zusätzlichen Aufwand für Chirurgen und Operationsplaner. In diesem Projekt haben wir ein Optimierungsframework entwickelt um 3D Operationspllanungen in klinischer Qualität und vollautomatisch zu erstellen.
In einer Korrekturosteotomie wird der pathologische Knochen mit einer Säge durchtrennt, repositioniert und in anatomischen Position wieder mit einer chirurgischen Platten fixiert. Eine präzise Durchführung der Operation ist bei der Korrekturosteotomie von grosser Bedeutung, da eine Abweichung vom präoperativen Plan zu unbefriedigenden klinischen Ergebnissen führen kann. Zur Gewährleistung der erforderlichen Präzision haben sich vor allem computergestützte Methoden zur 3D präoperativen Planung und chirurgischen Navigation mit patientenspezifischen Instrumentarien als wirksam erwiesen.
Die Vorteile der neu verfügbaren Technologien stehen aber einer immer komplexer werdenden präoperativen Computerplanung gegenüber, die neben einem hohes Mass an chirurgischer Erfahrung auch technisches Fachwissen erfordert. Die Automatisierung des präoperativen Prozesses würde neben finanzielle und zeitlichen Ersparnissen, auch den Vorteil haben, dass Operationsplanungen systematischer zum chirgischen Ziel hin optimiert werden können.
Das von uns entwickelte Framework basiert auf einem genetischen Optimierungsalgorithmus, der mehrere klinische und biomechanische Optimierungsziele gleichzeitig berücksichtigen kann. Der Algorithmus berechnet den Osteotomieschnitt, die erforderliche Knochen-Korrektur und die optimalen Positionen für das Osteosynthese-Implantat und die Fixationsschrauben.
Die computer-gestützte präoperative Planung einer Korrekturosteotomie umfasst mehrere Schritte. In einem ersten Schritt (Abbildung 1A) werden auf Basis von Coputertomografie (CT) 3D-Modelle der Knochen durch Segmentierung erstellt. Die Bestimmung des Deformitätsgrades erfolgt durch den Vergleich des pathologischen Knochenmodells mit einer Rekonstruktionsvorlage. Anschließend werden eine oder mehrere Osteotomieebenen definiert, um das pathologische Knochenmodell virtuell zu durchtrennen (Abbildung 1B). Die Knochenreposition wird simuliert, indem die Knochenfragmente mit der Rekonstruktionsvorlage überlagert werden. Die Fixierung der Osteotomie wird ebenfalls simuliert, indem die Osteosynthese-Platte und die Schrauben in die Planung mit einbezogen werden (Abbildung 1C). Eine typische Korrekturosteotmie-Planung hat insgesamt 18 Freitheitsgrade, die vom Algorithmus optimiert werden müssen.
Abbildung 1: Darstellung einer computer-basierenden, präoperativen Planung einer Korrekturosteotomie. (A) 3D-Knochenmodelle, die durch Segmentierung von CT-Daten erstellt werden. Das pathologische Knochenmodell ist in weiß und die gesunde Gegenseite als Rekonstruktionsziel ist grün dargestellt. Die Fehlstellungsanalyse erfolgt durch den Vergleich des pathologischen Knochens mit der gesunden Gegenseite. (B) Es wird eine Osteotomieebene (türkis) erstellt, mit der das pathologische Knochenmodell geschnitten wird, sodass proximale (weiß) und distale (violett) Knochenfragmente erzeugt werden. (C) Die Reposition der Fragmente wird durch die Überlagerung auf das Rekonstruktionsziel simuliert. Die Osteotomie wird mit einer Fixationsplatte (blau) und den entsprechenden Schrauben (grau) fixiert.
Optimierungs-Framework
Abbildung 2 zeigt das von uns entwickelte Optimierungs-Framework. Die Datengrundlage bilden das 3D Knochenmodell des Patienten, das Rekonstruktionsziel und mögliche Osteosynthese-Implate. In einem ersten Schritt wird pathologische Bereich des Knochens automatisch berechnet. Ausserdem werden Regionen identifiziert, wo Implantate platziert werden können. Diese Informationen werden im nächsten Schritt vom Optimierungsmodul verwendet, wo die eigentliche Berechnung der Planungslösungen in mehreren Stufen erfolgt. Ein genetischer Algorithmus wird für die gleichzeitige Optimierung der 4 klinischen Hauptziele verwendet (Abbildung 3). Das Ergebnis der Optimierung ist eine präoperative Planungslösung von klinischer Qualität.
Abbildung 2: Schematische Darstellung des Optimierungsframeworks.
Abbildung 3: Optimierungsziele. (A) Position und Ausrichtung der Osteotomie-Ebene (türkis) entlang des pathologischen Knochens (weiss). (B) Ausrichtung der erzeugten Knochenfragmente (weiss) relativ zum Rekonstruktionsziel (grün). (C) Position der Fixationsplatte (grau) relativ zum proximalen (weiss) und transformierte distale Fragment (violett). (D) Position und Ausrichtung der Schrauben (in blau und grau), die zur Stabilisierung und Fixierung der Knochenfragmente verwendet werden.
Klinische Validierung
Es wurde eine klinische Validierung anhand von 36 Fällen von Radiusosteotomien durchgeführt. Dabei wurden die Lösungen, die durch den Optimierungsalgorithmus (OA) erzeugt wurden, mit den Goldstandard-Lösungen (GS) verglichen, die von erfahrenen Chirurgen definiert wurden. Die Fälle wurde von zwei leitende Chirurgen, einem Facharzt für Orthopädie, einem Assistenzarzt und zwei erfahrenen Operationsplaner beurteilt. In der qualitativen Beurteilung haben wir die Frage gestellt, welche der beiden vorgestellten Operationslösungen ohne weitere Modifikation in einer Operation umsetzt werden kann. Die beiden Lösungen (GS und OA) wurden verblindet und in zufälliger Reihenfolge präsentiert. Die Bewertung für jeden Fall ist in Abbildung 4A dargestellt. OA-Lösungen wurden in 55% der Fälle als die bessere Lösung gewählt (Abbildung 4B).
Abbildung 4: Resultate der qualitativen Validierung. (A) Jeder Fall wurde von 4 Chirurgen (Leser 1-4) und 2 erfahrenen Planungsingenieuren (Leser 5-6) bewertet. (B) Prozentuale Verteilung des Abstimmungsergebnisses für GS- und OA-Lösungen.
Referenzen
1. Carrillo, F., Vlachopoulos, L., Schweizer, A., Nagy, L., Snedeker, J., Fürnstahl, P., 2017. A Time Saver: Optimization Approach for the Fully Automatic 3D Planning of Forearm Osteotomies, Medical Image Computing and Computer-Assisted Intervention − MICCAI 2017. Springer International Publishing, Quebec, Canada, pp. 488-496.
2. Carrillo F, Roner S, von Atzigen M, Schweizer A, Nagy L, Vlachopoulos L, Snedeker J.G, Fürnstahl P. An automatic genetic algorithm framework for the optimization of three-dimensional surgical plans of forearm corrective osteotomies. Medical image analysis, 2019. 60: 101598